Ein Rück- und Ausblick
Seit genau einem Jahr darf ich Dezernent der Stadt Landau sein. Keine Aufgabe hat mich bisher so begeistert, keine hat mir so viel bedeutet. Immer mal wieder schreibe ich auf, was mich beschäftigt – was dieser Tage einiges ist.
Fragen der Zeit
Meine Antrittsrede war geprägt von einem Satz: „Wir müssen nur entscheiden, was wir mit der Zeit anfangen wollen, die uns gegeben ist.“ Tolkien legte diesen Satz dem Zauberer Gandalf in den Mund, als Erwiderung auf den Wunsch des Ringträgers Frodo Beutlin, die Herausforderungen hätten nicht in seiner Lebenszeit auftauchen sollen. Der weise Zauberer stellt seiner Entgegnung dann noch voran, ihm selbst würde es genauso gehen wie allen anderen, die solche Zeiten erleben, doch das läge nun einmal außerhalb ihrer Macht.
Nicht in Zahlen zu fassen
Was andere vielleicht an Silvester beschäftigt – was dieses Jahr brachte, welche Ziele erreicht, welche verfehlt wurden – beschäftigt nun seit einigen Tagen mich. Meine Parteifreunde fragten, ob ich sagen könne, wie viele Bäume gepflanzt, wie viele Fahrradbügel aufgestellt wurden. Genau das kam auch mir in den Sinn und wurde verworfen, weil es so klein und unbedeutend wirkt angesichts der Erfahrung. Das Aufschreiben von Stunden gab ich schon nach zwei Wochen damals auf; das Aufzählen von Terminen oder geführten Gesprächen habe ich nie begonnen. Dieses Jahr lässt sich nicht in Zahlen fassen.
Führung als Herausforderung
Wenn es etwas gibt, das mich wie nichts sonst als Mensch beschäftigt, sind es die Fragen von Personalführung. Die Spanne reicht von ernsten Gesprächen mit Menschen vom Jahrgang meiner Mutter bis hin zu Vorstellungsgesprächen, in denen alle Bewerbenden jünger sind als ich. Selbst mit rauszugehen und an der eigenen Haut zu erleben, wie mit Mitarbeitenden einer Verwaltung umgegangen wird, einfach weil sie ihre Arbeit gut und richtig machen, oder eben vom Schreibtisch aus Entscheidungen zu treffen, die andere ärgern, enttäuschen, freuen und umtreiben werden.
Letzte Woche fragte mich ein alter Haudegen von Bürgermeister einer Nachbarstadt, wie ich führen würde. Ich erwiderte, dass es das Schwerste an dieser Aufgabe sei. Und gleichzeitig bin ich bei diesem Privileg, Verantwortung als Dezernent tragen zu dürfen, für nichts so dankbar wie für die Loyalität und Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Dezernats. Ich hatte einiges erwartet und bekam noch mehr als das.
Einiges begonnen
Nur so konnte so viel begonnen werden. Wir haben das Klimaanpassungskonzept beschlossen, die neue Innenstadtmobilität wird in diesen Tagen abschließend umgesetzt, wir erwarten jeden Tag den Förderbescheid für das Millionenprojekt „Klimaschutz durch Radverkehr“ und auf meinem Schreibtisch liegen Notizen und Karten zu dutzenden kleiner und größerer Maßnahmen und Projekte für das zweite Jahr: Stadtbussystem, Parksystem, städtischer Wohnungsbau, Übernahme Geschwindigkeitsüberwachung, Kleinparks für Fußverkehr, Stadtwald, Jagdverträge, Martin-Luther-Straße, Königstraße. Aber dieses erste Jahr? Ehrlich gesagt, ich weiß nicht so recht.
Alte Reden und Glückwunschkarten
Beim Ausmisten Zuhause fand ich meine Haushaltsrede für 2019, als Vorsitzender einer mittelgroßen Oppositionsfraktion. Eine von zweien, die mein Freund, Mentor und Kritiker Udo Lichtenthäler in unseren gemeinsamen Jahren „okay bis gut“ fand.
Mir war vor zwei Jahren wichtig anzuerkennen, dass die Stadt Landau unter unserem Oberbürgermeister Thomas Hirsch einiges tut, das aber das angesichts der heraufziehenden Klimakrise nicht genüge. Damals war das entscheidende Bild meiner Worte das eines Mädchens, das im Jahre 2018 in unserer Stadt geboren worden sei und eine Lebenserwartung bis weit über das Jahr 2100 haben würde. Sie also in der Welt der Klimakrise würde leben müssen, die wir nun schaffen – oder verhindern. Die junge Dame, die ich dabei im Auge hatte, ist nun zwei Jahre alt.
Und nun, nach diesem Jahr in einer anderen Art Verantwortung, sehe ich, wie große Schritte wir machen – die hart erkämpft und hoch umstritten sind, was auch nicht spurlos an mir vorübergeht. Aber wird es genügt haben? Ich weiß es auch kurz vor Ende dieses Textes nicht. Doch dann lag da am Ende meines ersten Jahres meine erste Glückwunschkarte für einen Mitarbeiter, der zum ersten Mal Vater wurde.
Wenn die Kinder von heute erwachsen werden
Aragorn drückt am Ende der Geschichte Tolkiens aus, dass wenn die noch Ungeborenen nun geboren und erwachsen werden, er auch alt werden und sich um diese zukünftige Welt sorgen würde.
Vielleicht passt das zu all diesen Punkten: Wir können nicht wählen, welchen Herausforderungen wir uns stellen müssen, aber wir können wählen, was wir mit unserer Zeit und Kraft anfangen wollen. Man braucht keine eigenen Kinder, um das zu verstehen: Wir sind verantwortlich für die Zukunft anderer. Für uns als Grüne wiegt diese Zukunft gewichtiger als unsere eigene Gegenwart und Vergangenheit.
Verfliegende Jahre
Ein Jahr verfliegt nur so. Genauso werden die Jahre verfliegen, die uns noch für den Klimaschutz bleiben. Bei allem kommunalpolitischen Pragmatismus und Kompromissbereitschaft: Es wird Zeit. Und ich bin dankbar, sowohl für die Unterstützung als auch für die Gelegenheit, meine Zeit hierfür und hier einsetzen zu dürfen.
Herzlich
Lukas
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