Quartiere mit Baugruppen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, zur nächsten Stadtratssitzung stellt meine Fraktion folgenden Antrag:

Antrag: Bei zukünftigen Quartiersentwicklungen in der Kernstadt oder Wettbewerben für solche Quartiere, die wir als Stadt über die Baulandstrategie und Grundstücksverkäufe stark mitbestimmen können, sollen folgende Prinzipien zuzüglich der beschlossenen Quotierungsrichtlinien gelten:

  1. Flächenvergabe, urbanes Quartier und Energie
  • 70% der Bauflächen sind Baugemeinschaften, dem städtischen Wohnungsbau und öffentlichen und sozialen Einrichtungen (Kita, Altenheim) vorbehalten.
  • Diese urbanen Quartiere werden bei einer maximal viereinhalbstöckigen Bebauung so entwickelt, dass durchschnittlich 100 großen Wohneinheiten pro Hektar entstehen können.
  • Im Erdgeschoss der Gebäude des zentralen Quartiersplatzes sind mindestens 30% der Fläche für Gewerbe, Praxen und Büroräume vorzubehalten. Diese Fläche werden mit dem Anteil an der sozial geförderten Mietwohnungsbauquote der jeweiligen Projekte verrechnet.
  • Städtische Grundstücke werden für einen Festpreis mit aktiver Preisgestaltung vergeben. Dabei sind Grundstücke mit höherer Dichte, einem größeren Anteil an sozial gefördertem Mietwohnungsbau und einem höheren energetischen Standard gegenüber solchen Grundstücken mit relativ wenig entstehender Wohnfläche zu begünstigen.
  • Zu erstellende Gestaltungssatzungen für diese Quartiere werden möglichst liberal formuliert.
  • KFW-40-Gebäude sind der Mindeststandards in solchen Quartieren.

2. Baugemeinschaften

  • 33% der Wohnungen oder 25% der Wohnfläche sind als geförderter Mietwohnungsbau zu errichten. Diese Anforderungen können auch über Dritte (z.B. GML) realisiert und/oder verwalten werden. Bei den Baugemeinschaften liegt die Wahl des Förderwegs (Kategorie, Bindungsdauer etc.). So entstehende geförderte Wohnfläche wird mit der für das Gesamtquartier verrechnet.
  • Die Gebäudekomplexe des Quartiers werden vorgeplant. Baugemeinschaften und andere sollen Abschnitte erwerben und entwickeln können. Die so entstehenden Parzellen sollen möglichst kleinteilig geplant werden. Es sollen auch möglichst kleine Baugemeinschaften realisiert werden können.
  • Zur Unterstützung der Baugemeinschaften wird eine volle Stelle in der Verwaltung geschaffen.

3. Verkehr und Parken

  • Die Mindeststellplatzanzahl wird in so verdichteten Quartieren auf 1 pro WE reduziert.
  • Solche Quartiere sind autoarm und verkehrsberuhigt zu realisieren.
  • Für die nötige Fahrradinfrastruktur und gute Busverbindungen ist zu sorgen.

Quartiersentwicklung mit Baugemeinschaften

Begründung: Es gibt in Deutschlands Mittel- und Oberzentren Stadtviertel, abseits der Metropolen und Großstädte, die erst vor ein bis zwei Jahrzehnten erbaut wurden, und dennoch zu den beliebtesten und lebenswertesten dieses Landes zählen. In diesen Quartieren finden pro Hektar 200 Personen in 100 und mehr Wohnungen ein Zuhause. Sie kaufen am zentralen Platz des Quartiers im Nahversorger oder einem kleinen Laden ein oder gehen dort zu einem Arzt oder Friseur, nachdem sie ihre Kinder in die nah gelegene Kindertagesstätte gebracht haben.

Zukunftsweisende Mobilität in einem verkehrsberuhigten Viertel

Unterwegs sind sie in verkehrsberuhigten Straßen des autoarmen Quartiers zu Fuß oder mit dem Rad, das man an den überall zu findenden Fahrradbügeln sicher abschließen kann. Diese sind angebracht zwischen zahlreichen Bäumen, die die Straßen zwischen den Parzellen säumen. Die meisten Familien im Viertel haben ein Auto, das in gemeinschaftlichen Tiefgaragen mehrerer Baugruppen unterhalb der Gärten untergebracht ist, aber es wird fast nur noch für das Pendeln eines Elternteils, Urlaube oder Großeinkäufe gebraucht, während viele Alleinstehende und Paare gar keines mehr haben. Die Straßen sind vor allem Verkehrswege für Radfahrende, Fußgängerinnen und Fußgänger und (E-)Roller-Fahrende, aber nicht dauerhafte Abstellflächen für PKWs. Ebenerdiges Parken gibt es im Quartier nur für Menschen mit Beeinträchtigungen, medizinisches Personal wie Hebammen und Notärzte sowie Sozialdienste und Carsharing-Projekte. Für Gäste gibt es am Quartiersrand einen öffentlichen Parkplatz. Gerade deshalb hat sich die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum so verbessert, dass nicht nur Jugendliche am Abend die Sonne auf dem zentralen Platz oder vor dem Haus genießen. Und falls man zu Arbeit, Schule oder Uni muss, nimmt man die Buslinie an einer der Haltestellen, die alle zwanzig Minuten angefahren werden.

Individuelle Wünsche und Bedürfnisse in gemeinschaftlicher Gestaltung

Im Quartier selbst wohnen alle Schichten der Stadtgesellschaft. Baugemeinschaften haben es selbst Menschen der unteren Mittelschicht oder auch solchen mit geringem Einkommen ermöglicht, Wohneigentum zu erwerben. Es gibt Mehrgenerationenhäuser, aber auch Projekte von Freunden und jungen Familien ebenso wie von Senioren oder von drei Generationen einer Familie. Die Größe der Gruppen reicht von vier Parteien, die nur einen kleinen Abschnitt eines Gebäudes errichteten, bis hin zu vierzig, die eine ganze Parzelle des Quartiers entwickelten. Manchen dieser Gruppen sind die Art und Weise des gemeinsamen Zusammenlebens ein wichtiger Aspekt ihrer Baugemeinschaft, andere wollen nur mit netten Leuten günstig zu Wohneigentum gelangen. Deshalb gibt es sowohl großzügige 180 m² Wohnungen mit Echtholzböden, Poolwannen und Bibliothekszimmern, als auch schlichte aber leistbare Wohnungen mit fünf Zimmern für fünfköpfige Familien. So oder so teilen viele Baugruppen oder Parteien Räume miteinander. Alle haben Zugang zu einer Tiefgarage, und auch gemeinschaftliche Gästewohnungen, Werkstätten, Spielzimmer oder Multifunktionsräume finden sich in beinahe jedem Block. In den großen, meist gemeinschaftlich genutzten Gärten stehen für ein Dutzend Kinder zwei bis drei Schaukeln, anstatt einer einzigen in einem halben Dutzend kleiner Gärten.

Soziale Durchmischung: Mietwohnungsbau und Baugemeinschaften

In beinahe jedem Gebäude des Quartiers gibt es Mietwohnungen. Manche Baugenossenschaften errichten eine Wohnung für eine Studierenden-WG, um ihr Gesamtprojekt dauerhaft mitzufinanzieren. Teilnehmende an Baugruppen übernehmen teilweise die Errichtung einer kleinen Mietwohnung als Teil ihrer Altersvorsorge. Andere bauen für die Zeit nach ihrer Familienphase eine Drei-Zimmer-Wohnung über den Weg des sozial geförderten Mietwohnungsbaus, um eines Tages die große Wohnung zu vermieten oder wieder zu verkaufen und selbst in die kleinere Wohnung im selben Haus zu ziehen. In wieder anderen Fällen konnte oder wollte kein Mitglied einer Baugruppe auf diese Art und Weise vorsorgen, weshalb die städtische Wohnungsbaugesellschaft überall im Quartier einzelne Wohnungen errichtet und die Baugruppen so unterstützte. In manchen Parzellen gibt es sogar reine Mietshäuser, oft errichtet und verwaltet durch die Wohnungsbaugesellschaft, um die Gesamtquote für sozial geförderten Mietwohnungsbau zu erfüllen. So ist jeder Teil des Quartiers sozial durchmischt.

Lebensqualität durch Ökologie

Und neben all diesen Vorzügen gelingt es den Quartieren zusätzlich erfolgreich ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen. Neben Gärten in den Innenbereichen der Parzellen finden sich Dach- und Fassadenbegrünungen, zahlreiche Bäume und wenig versiegelte Fläche in Relation zur entstandenen Wohnfläche. Als Standard gelten heute Gebäude mit einer KFW-40Energiebilanz, Photovoltaikanlagen finden sich quasi auf allen Dächern, Blockheizkraftwerke, Nahwärmenetze und Energiespeicher tragen darüber hinaus ihren Teil bei. Das alles lässt sich realisieren ohne rigide Vorgaben an Dach- und Fensterformen, ohne die Einschränkung der Farbvielfalt für Außenwände und Dachziegel. Mag auch manchen das eine oder andere Projekt im Viertel nicht gefallen, ergibt die bunte Vielfalt insgesamt ein schönes Ensemble.

Wenn neue Quartiere, dann gute – auch in Landau

Das alles ist keine Utopie, sondern schon heute Realität in Städten wie Freiburg und Tübingen. Dem voran ging eine Stadtpolitik, die eine klare Vorstellung hatte und ebenso klare Regeln erließ. Voraussetzung dafür war die Begrenztheit an Baugrundstücken ebenso anzuerkennen wie die Funktionsweise einer lebendigen Stadt. Wohnraum verbunden mit sozialer Infrastruktur, Gewerbe und Praxen sowie die Bedürfnisse Vieler über die Wünsche Weniger zu stellen. Und um dem nächsten und übernächsten Baugebiet vorzubeugen. Wenn in Landau neue Quartiere entstehen sollen, dann hoffentlich solche, die in einigen Jahren zu den beliebtesten und lebenswertesten der Pfalz zählen und die mehr Probleme lösen, als nur so zu tun oder neu zu schaffen.

Lukas Hartmann

Artikel teilen

WhatsApp

Verwandte Artikel